Wenn Menschen zuhören, tun sie das lieber mit dem rechten als mit dem linken Ohr und erfüllen auch Bitten eher, wenn sie von dieser Seite angesprochen werden. Das berichten die Psychologen Luca Tommasi und Daniele Marzoli von der italienischen Universität "Gabriele d Annunzio" im Onlinejournal "Naturwissenschaften". In Alltagssituationen konnten sie erstmals bestätigen, was zuvor bloß im Labor erforscht worden war: Das rechte Ohr versteht gesprochene Sprache besser als das linke.
Um die These zu überprüfen, begaben sich die Forscher in eine Diskothek. "Hier zwingt einen der hohe Geräuschpegel dazu, dem Redner ein Ohr zuzuwenden, sonst versteht man nichts", erklärt Studienleiter Tommasi. Zunächst beobachtete sein Team die Unterhaltungen von 300 Personen, in einem zweiten Durchgang sprach es dann knapp 200 Menschen selbst an, wobei sie den Zuhörern stets selbst überließen, in welche Richtung sie sich umdrehen wollten. Die überwiegende Mehrheit - drei von vier Zuhörer - hielt das rechte Ohr hin, während das linke kaum zum Einsatz kam. Noch einen Schritt weiter gingen die Forscher, als sie gleich bei der ersten Ansprache ein bestimmtes Zuhörerohr adressierten. Der Bitte um eine Zigarette kamen die Menschen deutlich öfter nach, denen man eine Anfrage von der rechten Seite gestellt hatte.
"Dieses Phänomen beruht nicht auf unterschiedlicher Funktionsweise der Ohren, sondern auf der geänderten Verarbeitung im Gehirn", so Tommasi. Der durch das rechte Ohr eindringende Schall wird von der linken Gehirnhälfte verarbeitet, in der das Sprachverständnis oder auch die Kontaktaufnahme angesiedelt ist. Das verleihe dem rechten Ohr wichtige Vorteile. Für das linke Ohr ist hingegen die rechte Gehirnhälfte verantwortlich. "Es liegt nahe, dass das linke Ohr feindliche oder negative Geräusche stärker wahrnimmt oder auch Emotionen, die mit Angst oder Rückzug verknüpft sind."
Neu sind die Grundlagen dieser Forschung nicht, wohl aber die Durchführung. "Erstmals haben wir geschafft, die Bedeutung des rechten Ohrs in einer natürlicheren Situation zu zeigen als dies die Laborsituation erlaubt", betont Tommasi. Außergewöhnlich sei dabei der Forschungszugang. "Üblicherweise werden für ähnliche Erhebungen bildgebende Methoden wie die Magnetresonanz-Tomografie angewandt, die freilich hervorragende Ergebnisse über die Gehirnaktivität liefern, jedoch auch einen sehr hohen finanziellen Aufwand bedeuten. Unsere Studie, die es schaffte, erstmals überhaupt die Auswirkungen der Gehirntätigkeit im Alltag zu überprüfen, wurde von Studenten durchgeführt und verursachte überhaupt keine Kosten." Ein Forschungsschwenk hin zur Untersuchung natürlicher Situationen sei durchaus geeignet, um neue Ergebnisse liefern, schließt der italienische Psychologe.