Die Angst, dass das Internet und andere moderne Kommunikationstechnologien ihre Nutzer in die soziale Isolation abdriften lassen, ist vollkommen unbegründet. Im Gegenteil profitieren Menschen, die das Web, Instant-Messaging-Dienste, Handys, Foto-Sharing-Portale oder soziale Online-Communitys nutzen, von diesen Tätigkeiten und können in der Regel auf einen größeren und vielfältigeren engeren Kreis an Vertrauenspersonen zurückgreifen als Technologie-Verweigerer. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Pew Research Centers und der University of Pennsylvania.
"Es hat sich gezeigt, dass diejenigen Menschen, die Internet oder Mobiltelefone nutzen, beträchtliche soziale Vorteile genießen", stellt Keith Hampton, leitender Studienautor und Soziologe an der Annenberg School for Communication der Universität in Pennsylvania, gegenüber dem San Francisco Chonicle fest. Bisherige Forschungsergebnisse zu diesem Zusammenhang seien damit endgültig widerlegt. "Die Menschen setzen diese Technologien ein, um in einer Art und Weise Informationen zu tauschen, die sie sozial aktiv hält und die Verbindung zu ihren Communitys fördert", fasst Hampton zusammen.
"Der Zusammenhang zwischen sozialer Isolation und der Nutzung moderner Kommunikationstechnologien ist wissenschaftlich gesehen noch ein recht neues Forschungsgebiet. Da sich die Forschung in diesem Bereich kontinuierlich weiterentwickelt, sind die aktuellen Ergebnisse eher mit Vorsicht zu genießen", erklärt Erich Weichselgartner, stellvertretender wissenschaftlicher Leiter des Leibniz-Zentrums für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID) in Trier.
Eine pauschale Aburteilung der Zusammenhänge sei im vorliegenden Fall zwar sicher nur schwer möglich. "Ich glaube aber, dass das Internet zumindest prinzipiell ein sehr geeignetes Medium ist, um Sozialkontakte zu knüpfen und aufrechtzuerhalten", meint Weichselgartner. Mittlerweile gebe es eine zunehmende Zahl von Menschen, die von diesen neuen Möglichkeiten ausgiebig Gebrauch machen. Dass Phänomene wie soziale Online-Netzwerke zu sozialer Isolation ihrer Nutzer führen können, sei ein weit verbreitetes Vorurteil. "Auch Facebook-User haben durchaus ein normales Sozialverhalten", stellt Weichselgartner klar.
Den aktuell publizierten Untersuchungsergebnissen zufolge ist die Zahl der sozial isolierten US-Bürger im Vergleich zu 1985 zwar leicht angewachsen. Die zunehmende Verbreitung moderner Kommunikationstechnologien sei in dieser Hinsicht aber nicht der ausschlaggebende Faktor. "Sie hat vielmehr geholfen, den sozialen Kreis der Menschen zu erweitern", betont Hampton. So sei etwa die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen in sozialen Kontakt mit außerfamiliären Personen treten, bei Internetnutzern um zehn Prozent höher als bei sogenannten "Offlinern".
Auch was die Diskussion heikler persönlicher Themen betrifft, scheinen Online-User gegenüber den Technologie-Verweigerern im Vorteil zu sein. Diese zeigen um 38 Prozent weniger Abhängigkeit von den eigenen Familienangehörigen und suchen verstärkt im Netz nach alternativen Gesprächspartnern. Besonders interessant ist auch die Erkenntnis, dass "Heavy User" des Webs im Schnitt um 53 Prozent öfter soziale Kontakte zu Angehörigen anderer Ethnien entwickeln, was wiederum zum gegenseitigen Abbau kultureller Vorurteile beitragen kann.
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