Artikel: Vom Grünschnabel zum Macher | Ein Interview [ Interviews ]
27.01.2010  |   Klicks: 2749   |   Kommentare: 0   |   Autor: PiWii
Vom Grünschnabel zum Macher | Ein Interview
Sebastian Koch hat Mannheim den Rücken gekehrt um in den französischen Alpen ein Skihotel zu eröffnen. Einst war er einer unter zig BWL Studenten an der Universität Mannheim, die so ziemlich alle den Traum von der großen Karriere haben. Er ist einer, der es geschafft hat. Heute hat der Wintersportfan ein ganzes Team von Angestellten und ist mit seinem Projekt mehr als erfolgreich.
Sebastian, Hand aufs Herz, ist es ein Traumberuf Hotelier in einem Skigebiet zu sein?

„Puhh...nach den ersten Wochen muss ich sagen, dass es deutlich mehr Arbeit ist, als ich gedacht hätte. Und wenn ich Putzfrauen im Toiletten reinigen anleiten muss, tendiere ich eher dazu, die Frage mit nein zu beantworten. Insgeheim muss ich zugestehen, dass mir die anhängende Bar und das Booking von Bands und DJs mehr Spaß bereiten. Jedoch gehört in dem Konzept meiner „Riders‘ Lodge“ ja beides zusammen und wenn ich die Begeisterung der Gäste zugetragen bekomme, entschädigt das auch für einiges.“

Von der Uni mit Diplom direkt ab in den französischen Schnee – Lebenstraum oder Verzweiflung?

„Hahaha…die einen mögen es so sehen, die andern andersrum. Fakt ist, dass mich mein Studium vor allem eines gelehrt hat; die konventionelle Karriere im Anzug ist nicht unbedingt meines. Jedoch habe ich schon immer gerne „Projekte gestemmt“ und Skifahren und Berge sind definitiv die Basis für meinen ganz persönlichen Lebenstraum.“

War das immer geplant? Hattest du immer vor, in diese Richtung zu gehen?

„Geplant war das nie und nimmer, vielmehr war es einer dieser Zufälle, die das Leben von der einen in die andere Richtung laufen lassen. Eigentlich wollte ich den vergangenen Winter wieder als Heli-Ski-Guide im kanadischen Whistler arbeiten, bevor ich mit meiner Diplomarbeit begann. Als dies jedoch kurzfristig scheiterte, verbrachte ich den Großteil der Wintersaison in Samoëns, wo ich schon seit klein auf jedes Jahr bin. Somit kam mir, über persönliche Kontakte zu Ohren, dass es ein leerstehendes Hotel-Restaurant zu mieten gibt. Und somit nahm alles seinen Lauf. Bei der ersten Besichtigung habe ich sofort das enorme Potential für Gruppenreisen und einen ordentlichen Pub gespürt und meine Berufung nicht mehr im Schreiben von Bewerbungen an irgendwelche Konzerne oder Beratungen gesehen.“

Warum quälst du dich durch ein BWL Studium an der Uni Mannheim anstatt nicht gleich eine Skihütte in den Alpen zu eröffnen?

„Naja, damals als ich noch ein Abi-Grünschnabel war, hatte ich das ganz klare Ziel Karriere und Geld zu machen. Und welche Kaderschmiede eignet sich dazu wohl besser als die Uni Mannheim? Im Laufe meines Studiums habe ich jedoch immer deutlicher gemerkt, dass es im Leben weitaus wichtigeres, schöneres und interessanteres gibt, als sich einem strikten Karriere-Plan zu unterwerfen. Da ich mir aber stets eine kleine Hintertür offen halten will und zudem das Aufgeben einer bestimmten Sache als persönliche Niederlage sehe, habe ich das Studium durchgezogen. Jedoch gespickt mit diversen Auslandsaufenthalten die die Sache deutlich „lebendiger“ gemacht haben. “


Seit wann gibt es diese Idee? Was hat das Studium dazu beigetragen/gebracht?

„Erfahrung in der Wintersportindustrie habe ich zu Hauf und Erfahrungen aus meinem Marketing-Studium lassen sich auch sehr gut einbringen. Aber wie schon gesagt, die Idee ist sehr kurzfristig gereift und noch vor einem Jahr hätte ich nicht im Traum daran gedacht. Jetzt habe ich ein ganzes Team von Angestellten und beherberge über 500 Leute in der Wintersaison. Also doch so eine kleine Art von Karriere.“

Was hielten Freunde und Familie von der Idee? Gab es Unterstützung oder eher Kritik und Skepsis?

„Meine Familie ist absolut Wintersportbegeistert und somit entscheidend mitverantwortlich für dieses Projekt. Zu jeder Zeit hatte ich vollste Unterstützung meiner Eltern und von meinen kleinen Geschwistern sowieso, da die jetzt endlich eine günstige Behausung fürs Skifahren haben. Im Kreise meiner Freunde tummeln sich sehr viele „Macher“, wie ich sie gerne nenne. Eben Leute, die eigene kreative Ideen in selbständige Projekte umsetzen und somit einen alternativen Weg gehen. Jetzt bin ich auch einer von Ihnen. “


Wird man als Neuling in der Branche und dann auch noch als ziemlich junger Gründer überhaupt ernst genommen von der Konkurrenz? Wie wirst du der Konkurrenz gerecht? Was unterscheidet dich von den zig bereits existierenden Skihotels?

„Nun ja, durch viele Kontakte in der Wintersport- und Tourismusindustrie, habe ich es hier und da eventuell etwas leichter, dennoch stelle ich mit jedem Tag wieder fest, dass es eine ziemlich harte Branche ist, an die ich mich noch ein wenig gewöhnen muss. Lokal gesehen kommen mir etliche persönliche Kontakte zu gute. Jedoch macht Erfolg natürlich auch Feinde, was ich auch schon zu spüren bekommen habe. Alles in allem hoffe ich jedoch, dass ich mich mit Les Drugères auf einer Ebene etablieren kann, auf der es nicht allzu viel Konkurrenz gibt. Es soll stets eine persönliche, sportliche und internationale Atmosphäre herrschen, die gemütlichen Charme von „Traveler-Hostels“ mit Komfort und ausgelassener Stimmung verbindet.“

Wie sind die ersten Feedbacks?

„Die ersten Feedbacks entschädigen vollends für 100 Stunden und 7-Tage Arbeitswochen. Alle Gäste der Lodge sind vollends begeistert und der Pub hat eingeschlagen wie eine Bombe.“

Wie viel Vorlauf war zur Realisierung nötig? War es schwer, Unterstützer zu finden oder hast du das Projekt allein gestemmt?

„Haha. Wollt ihr hören, zu was ich jemand anderem raten würde, oder wie viel Vorlauf ich hatte? Nun ja, mein Problem war, dass ich mich zu dem Projekt ja sehr spontan entschieden hatte und somit in der eigentlichen Gründungs-Vorlauf-Phase „nebenbei“ auch noch meine Diplomarbeit geschrieben werden musste. Es gibt schon einige Dinge, die ich gerne professioneller und gründlicher angegangen wäre, aber in meinem Fall ging es eben nur so. Und dank der Unterstützung von Familie, meiner Freundin und vielen meiner Freunde, z.B. in Sachen Renovierungsarbeiten und Homepageumsetzung, habe ich es zumindest so hinbekommen, dass die vorherige Frage nicht negativ beantwortet werden musste.“

Warum Skihütte in den Alpen und kein Luxushotel am Strand von Mauritius?

„Weil ich eben viel eher der Typ für ersteres bin. Außerdem impliziert ein „Luxushotel“ auch erheblich höhere Investitionen, die ich nicht hätte stemmen können. Soviel habe ich in meinem Studium gelernt. Vor allem aber denke ich, dass ich mit meinem Projekt wesentlich mehr Spaß habe!“

Das Hotel bietet ja auch Après Ski. Was bist du mehr, Partysau oder Pistensau?

„Ha, ich halte mich in beiden Bereichen für ziemliche gut!“

Junge Teens oder Familien? Wenn soll das Hotel ansprechen?

„Die Riders‘ Lodge bietet mit viel Liebe zum Detail eine Atmosphäre, die besonders Jugend- und Studentengruppen, aber auch jungen Familien und Bürogemeinschaften, sowie individuell buchenden Powderfreaks alles, um eine unvergessliche Woche in den Bergen zu verleben. Die Unterbringung findet in 2er-, 3er- und 4er-Zimmern statt, die alle mit eigenem Bad und WC ausgestattet sind. Zudem bestehen optimale Voraussetzungen, um Seminare abzuhalten. Die entsprechenden Räumlichkeiten sowie Leinwände und Tafeln befinden sich direkt in der Riders’ Lodge.“

Was machst du die restlichen Tage im Jahr, wenn keine Saison ist?

„Gute Frage, auf die ich noch keine Antwort gefunden habe. Vielleicht suche ich mir nochmal ein interessantes Praktikum oder ich heuer in einem befristeten Beratungsprojekt an um mich dem totalen Kontrast zu meinem jetzigen Leben zu stellen. Wer weiß, das Leben ist viel zu kurz um sich langfristig fest zu legen!“

Was vermisst du an Mannheim?

„Wenn ich aus dem Fenster schaue, schaue ich auf verschneite Berge und habe, zumindest in der Theorie, jeden Tag die Möglichkeit auf die Bretter zu steigen. Also was zum Teufel soll ich an Mannheim vermissen

Zur Homepage geht''''s hier: http://www.lesdrugeres.com/
 
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