Artikel: Bühnen-Lyrik der etwas anderen Art | Word up! Poetry Slam in der Alten Feuerwache Mannheim[ Kulturelles ]
18.02.2010  |   Klicks: 5417   |   Kommentare: 2   |   Autor: Polterfarbend
Bühnen-Lyrik der etwas anderen Art | Word up! Poetry Slam in der Alten Feuerwache Mannheim
Als am gestrigen Mittwochabend zwölf junge Autoren die Bühne der Alten Feuerwache stürmten, um ihre selbstgeschriebenen Werke in einem Wettstreit vorzutragen, hatten die Zuschauer im ausverkauften Saal noch keine Ahnung, was sie an diesem Abend erwarten wird. Doch sie wurden mit geistreichem Wortwitz und literarischen Perlen belohnt. Poetry Slams erfreuen sich immer größerer Beliebtheit und auch in der Metropolregion finden regelmäßige Veranstaltungen dieser Art statt.
Wer glaubt, dass bei einem Poetry Slam nur Germanistikstudenten mit öden lyrischen Ergüssen antreten, wird schnell eines Besseren belehrt. Poetry Slam ist alles, nur nicht langweilig. Der Dichterwettstreit kann durch Tempo, Wortwitz, Spontaneität und Intellekt begeistern. Ob amüsante Alltagskomik oder sozialkritisches Sonett – wer einen Poetry Slam besucht, kann sich auf einen erfrischend kreativen Abend mit vielen Überraschungen freuen.

Doch was genau ist eigentlich ein Poetry Slam? Bei einem Poetry Slam handelt es sich um einen literarischen Wettbewerb, bei dem Autoren mit ihren selbstgeschriebenen Texten innerhalb einer vorgegebenen Zeitspanne gegeneinander antreten. Das Publikum fungiert dabei als Jury und kürt im Anschluss an die Auftritte die Gewinner. Ursprünglich in der Mitte der 80er Jahre in Chicago entstanden, erfreut sich der Dichterwettstreit auch in Deutschland immer größerer Beliebtheit. In vielen deutschen Städten finden regelmäßig Veranstaltungen dieser Art statt.

So auch in Mannheim. Die Poetry Slam-Reihe „Word up!“ findet abwechselnd im DAI in Heidelberg und in der Mannheimer Alten Feuerwache statt. Die Regeln sind schnell erklärt: 12 Künstler treten in Vierergruppen vor dem Publikum auf. Nach jeder Gruppe entscheiden die Zuschauer per Applaus, wer als Gruppensieger hervorgeht. Diese finden sich dann im Finale wieder, in dem neue Texte vorgetragen werden und eine erneute Bewertung durch das Publikum stattfindet.

Erlaubt ist im Dichterwettkampf eigentlich alles. Außer Hilfsmittel. Wer die festgelegten 6 Minuten überschreitet, wird mit lauter Musik und einem abgeschalteten Mikrofon von der Bühne gejagt. Die Textform ist nicht vorgeschrieben, der Kreativität somit keine Grenzen gesetzt.

So kommen die Zuschauer am gestrigen Abend in den Genuss unterschiedlichster Formate. Solveig Zenglein aus Saarbrücken versetzt mit ihrem gesellschaftskritischen Werk „Des Teufel’s Schlaflosigkeit“ den Raum in eine apokalyptische Stimmung, während die Auftritte der Leipziger Slammer Julius Fischer und André Herrmann eher an Stand Up-Comedy erinnern. Ob der „Saunameister“ Thomas Griesbeck aus Frankenthal ein Liebeslied in Pfälzer Mundart vorträgt, der Heidelberger Philipp Herold die Geschichte vom Jungen namens „Per Vers“ erzählt oder Sylvie Le Bonheur aus Mannheim das Dilemma des Notizblocks vorträgt, das lieber ein Buch wäre – bei den vielfältigen Vorträgen blieb kein Auge trocken.

Bei soviel Ideenreichtum fällt es auch den Zuschauern nicht leicht, einen Sieger zu küren. So besteht die Besetzung im Finale ausnahmsweise aus vier statt aus drei Slammern. Und auch das oberste Treppchen auf dem Podest teilen sich am Ende des amüsanten Abends gleich zwei Gewinner: Nektarios Vlachopoulos nimmt im Finale den Vampir-Hype der zeitgenössischen Literatur aufs Korn und Julias Fischer strapaziert die Lachmuskeln der Zuschauer mit seiner Hommage an sein neues Fahrrad. Die beiden slammen sich direkt in die Gunst des Publikums und dürfen sich über ihren geteilten Sieg und den begehrten Schokopokal sowie Gummibärchen freuen.

Insgesamt war es ein bunt gemischter Abend, kein Autor gleicht dem Anderen, kein Text ähnelt einem bereits Vorgetragenen. Es ist faszinierend, wie kreativ die jungen Poeten aus ganz Deutschland sind. Und auch eine Zugabe lassen sich die jungen Kreativen nicht nehmen und heizen der ausverkauften Alten Feuerwache noch ein letztes Mal so richtig ein.

Wer Lust hat, selbst einmal bei dem beliebten Wettbewerb mit zu slammen, kann sich über die Homepage http://www.wordup-hd.de/ informieren oder auch gleich zum nächsten Slam anmelden.
Die Voraussetzungen sollten ja klar sein: das Vorgetragene muss aus der eigenen Feder stammen. Hilfsmittel sind verboten. Ansonsten alles erlaubt. Slam on!

Teilnehmer am gestrigen Abend waren:
André Herrmann (Leipzig), Dennis Schulz (Heidelberg), Julius Fischer (Leipzig), Sylvie Le Bonheur (Mannheim), Thomas Griesbeck (Frankenthal), Nektarios Vlachopoulos (Mannheim), Zoé Schneidermann (Mannheim), Philipp Herold (Heidelberg), Solveig Zenglein (Saarbrücken), Marvin Ruppert (Marburg), Christof Wahner (Landau) und Selma Sadikovic (Mannheim).
 

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2 Kommentare zu diesem Artikel
19.02.10, 10:05 Uhr #1 von DelayPriest
Super Bericht und super Veranstaltung!

Nur schade, dass das Publikum, dass sich hier vermutlich in intellektuellen Sphären wähnt, eher mit dem D-Zug durch die Kinderstube gerast ist. Als eine junge Teilnehmerin ihre Gedichte vorträgt, welche vielleicht noch nicht an die Klasse oder Unterhaltsamkeit der anderen heranreichen, fällt den meisten nämlich nichts besseres ein, als sie so lange auszulachen und laut zu Lästern, bis die Autorin vorzeitig ihren Vortrag abbricht und von der Bühne geht. Wirklich arm war das...
19.02.10, 12:49 Uhr #2 von SAUNAMEISTER
Ich fand den Auftritt der Kollegin jedenfalls sehr sympathisch! Bleibt sonst nur noch zu sagen: Saunameister, es gibt nur einen, Griesbeck heißt er!
www.der-dichtende-saunameister.de
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