„Manche Menschen finden auf einen Schlag zu sich selbst, wie bei einer Explosion. Ich selbst habe Stück für Stück zu mir selbst gefunden, mehr oder weniger durch eine Reihe von Zufällen. Das erste Stück habe ich in einem Zelt auf dem West Highland Way gefunden. Meine beste Freundin Sarah schlief. Ihr Mann lag neben ihr, und ich schluckte sein Sperma. Ich entdeckte das nächste Stück von mir am Grund einer Klippe, als ich Sarahs toten Körper dort entlangschleifte, während ihr Kopf gegen die Felsen schlug. Sarah, meine beste Freundin seit Kinderzeiten, die ich verraten und ermordet hatte. Und dann, in der Dunkelheit des Dachbodens meiner Eltern, fand ich den Rest von mir.“

Wenige Bücher fangen ähnlich fulminant an wie Helen FitzGeralds Debütroman "Furchtbar lieb". Bereits in den ersten Abschnitten wird die Protagonistin Krissie mit obigen Sätzen vorgestellt. Ähnlich rasant und direkt zieht sich die Story durch das gesamte Buch. Temporeich und sexy bekommt das Buch nach und den unangenehmen Beigeschmack eines fatalen Thrillers, der den Leser nicht mehr loslässt.

Krissie und Sarah sind seit ihrem vierten Lebensjahr beste Freundinnen und könnten doch unterschiedlicher nicht sein: Krissie arbeitet als Sozialarbeiterin und bringt so unfähige und überforderte Eltern um das Sorgerecht ihrer Kinder. Sie selbst nimmt Drogen, trinkt zu viel und leidet an einer postnatalen Depression. Ihr Sohn: Gezeugt auf einem schäbigen Nachtklub-Klo.

Sarah hingegen lebt mit ihrem perfekten Ehemann in einem perfekten Haus und leidet unter Kontrollzwängen. Seit mehreren Jahren versucht sie vergeblich, ein Kind zu bekommen. Gegensätze ziehen sich an – darf man auch in diesem Fall meinen. Krissie und Sarah sind beste Freundinnen und können einander blind vertrauen. Doch die Torschlusspanik Sarahs und Krissies mangelnde Fürsorge für ihr eigenes Kind bringen die Freundschaft gefährlich ins Wanken – bis mit einem lauten Knall das Leben aller Beteiligten völlig aus den Fugen gerät.

Mehr darf an dieser Stelle gar nicht verraten werden, der Klappentext des Buches sowie die ersten Seiten nehmen ja bereits einen großen Teil der Handlung vorweg. Dennoch wird nicht zu viel verraten, um den perfekten Spannungsbogen, der sich auf über 250 Seiten erstreckt, zu gefährden. Wer sich auf die abgedrehte Geschichte einlässt, wird das Buch ohnehin nicht mehr aus den Händen legen können.

So abgedreht erscheint die Geschichte jedoch gar nicht mehr, wenn man sich ein wenig mit der Vergangenheit der Autorin auseinandersetzt. Helen FitzGerald wurde 1966 als zwölftes von dreizehn Kindern im australischen Melbourne geboren. Seit vielen Jahren residiert sie jedoch im schottischen Glasgow. Viele Jahre lang arbeitete sie dort als Sozialarbeiterin in Gefängnissen mit Schwerverbrechen, die meisten davon Sexualstraftäter.

Der Roman enthält somit zahlreiche Parallelen zu den eigenen Erfahrungen der Autorin und ist glaubwürdiger, als so mancher Schundroman aus der Thriller-Ecke, der sich momentan in den Buchhandlungen tummelt. „Furchtbar lieb“ hängt der Schriftstellerin besonders am Herz und ist nicht nur dadurch äußerst lesenswert. Schwarzer Humor, kompromisslose Worte, schockierende Enthüllungen – das macht FitzGeralds Debüt aus.

„Furchtbar lieb“ gibt es in allen Buchhandlungen zum Preis von 14,95 Euro. Erschienen ist es Ende Februar 2010 im Galiani Verlag, Berlin. Deutsche Übersetzung von Steffen Jacobs, mit 256 grandiosen Seiten. Unbedingt Lesen!

Hier geht’s zur Leseprobe: http://www.galiani.de/files/fitzgerald_furchtbar_l ieb.pdf

Für alle Lesefaulen gibt es mittlerweile eine Hörbuch-Fassung für 19,99 Euro im Handel.

Bildmaterial: Copyright © 2010 Galiani Verlag Berlin

Die Autorin Helen FitzGerald