Artikel: Das Internetdoppelleben[ Kolumne ]
29.11.2006  |   Klicks: 3401   |   Kommentare: 9   |   Autor: maks
Das Internetdoppelleben
Das Internet gibt uns die Möglichkeit uns selbst darzustellen, womöglich sogar anders. Doch was stellen wir dar? Im theoretischen Idealfall sind wir alle wir selbst; dennoch scheint das Optimum geschlagen durch die Opportunität die Informationen über uns zu gestalten, was durchaus starke Abweichungen verursachen kann. Alleine schon der Plural stellt eine gefährliche Aussage dar, da die vermeintliche Wahrheit bestritten werden wird oder weil ihr wirklich eine Ausnahme seid; nichtsdestotrotz könnte euch gerade letzteres zur Gefahr werden.
Technisch gesehen entscheiden wir selbst darüber, welche Informationen wir publizierren. Wir arbeiten mit einer feinen Selektion und neigen grundsätzlich dazu unsere guten Seiten präsentieren zu wollen; doch genauso werden auch die schlechten zum Preis einer systematischen Verzerrung und vielleicht sogar sich selbst zu belügen optimiert. Ist das nicht auch die Art und Weise mit der wir im täglichen Leben vorgehen? Sicher, jedoch erfordert sich potentiell negative Dinge einzugestehen Selbstanalyse: Es scheint so manches Mal, dass nicht jeder diesen Weg wählen möchte; das Internet in seiner heute möglichen weitreichenden Konsequenz könnte sogar sowohl zur Stütze unseres ausgelebten Selbstwertgefühls geworden sein, als auch rein zeitlich betrachtet zum Bestandteil des Lebens geworden sein. Daher sollte jeder zumindest einmal seine Internetaktivität analysieren, um mehr über einen evtl. vorliegenden Kontrast, sich selbst, das einem bewusste und unterbewusste, seine wirklichen Präferenzen und mögliche Gefahren zu lernen:

Die Pseudoanonymität fasziniert uns; zunächst sind wir lediglich eine IP-Nummer, die sich einwählt in ein System. Schon dieses Wissen scheint naiven Nutzern fremd; in Anbetracht des Ausmaßes ist man doch nur ein kleines Atom im unendlich scheinenden Kosmos.
De Facto hinterlassen wir überall Spuren: Dass alleine für diese Daten ein Markt entstanden ist, dass bspw. AOL mehr mit einem View ihrer Seiten verdient als mit einer gesurften Minute sind Zeichen dafür.
Die zwielichtige Anonymität verführt uns zu kriminellen Aktivitäten, mehr noch alle Seiten an uns, es gebe bspw. in der Realität unterdrückte, auszuleben. Eigentlich sind wir verdammt ehrlich, wenn wir im Internet surfen. Wir äußern unsere Präferenzen über fast alles, wofür diese existieren; sei es für bestimmte Videos auf youtube.com (maßgeblicher Informationsnutzen führte als einer der Hauptgründe zum Kauf) oder, dass wir heimlich auf Sado-Maso-Sex stehen und diese Leidenschaft im Internet ausleben. Der Browser lässt sich schnell wieder schließen, vergessen machen. Wir sind ja allein.

Allein zu bleiben aber ist für Wesen, die in Kommunikation leben, eine schwierige Angelegenheit, was die Erfolge diverser Chats/Messanger und Kontaktseiten/Communityportalen bestätigen. Man klinkt sich wieder ein in die quasi-menschliche Welt. Allein das Selbstbestimmen über Interaktion als Freiheit gesehen macht abhängig. Wie nervig kann es doch sein ein unangenehmes/-interessantes Gespräch ertragen zu müssen, sich nicht entziehen zu können. Doch hier wird es im Internet persönlich, oder auch nicht; die Möglichkeit einen von inneren Faktoren gesteuerten Antrieb, der auf die Befriedigung starker, oft lebensnotwendiger, Bedürfnisse gerichtet ist – kurz: Triebe – auszuleben hallt noch immer aus der Anonymität nach und wir beginnen bspw. bei Usern im Profil zu prüfen, ob One-Night-Stand und Offen-für-Neues angekreuzt ist, welche Triebe es auch seien die uns leiten mögen; sie treiben uns dazu zu manipulieren - lat. für Hand-/Kunstgriff, die gezielte aber verdeckte Einflussnahme beschreibend: in psychologischer Hinsicht sämtliche Prozesse, welche auf eine Steuerung des Erlebens und Verhaltens von Einzelnen und Gruppen zielen und diesen verborgen bleiben sollen. Nun eine Liste möglicher Manipulationen anzuführen würde den Rahmen sprengen; Sinn und Zweck aber ist die Notwendigkeit einer Selbstanalyse aufzuzeigen, weswegen sich jeder einfach mal ehrlich selbst fragen sollte oder einfach im Internet/auf der Festplatte nachliest.

Nachgelesen wird übrigens auch von Personalern in Unternehmen (google.de u.a.). Natürlich birgt auch das die Gefahr und Chance der Manipulation, doch letztlich muss Annahme sein, dass man grundsätzlich recht intuitiv vorgeht und nur an insb. persönlichen Stellen gerne abweicht. Je nach dem wie ehrlich wir als Mensch eben sind. Dennoch müssen wir uns auch der Gefahr ausgesetzt sehen, dass durch das Doppelleben aufgedeckte Inkongruenzen uns die Glaubwürdigkeit kosten. Dass wir den ohnehin im Internet kritischen Datenschutz nicht noch selbst entkräften durch unser eigenes Handeln. Die Zukunft und damit der teilweise betriebene gläserne User/Mensch lassen grüßen.
Wenn von Doppelleben die Rede ist, könnte man geneigt sein anzunehmen unsere Internetaktivität wäre ein heterogener Part zu unserem wirklichen Leben. Das Internet birgt für uns nur ein Addon für das aktivere „ausleben“ unseres Egos – der Phantasie keine Grenzen setzend, sich intersubjektiver Nachprüfbarkeit entziehend.
Das Internet könnte sogar einen Einfluss darauf haben, wie wir im wirklichen Leben sind; wir haben die große Chance zu akzeptieren, dass wir berechtigterweise hier unsere Triebe/Präferenzen ausleben. Doch dies erfordert Selbstanalyse und meist Mut, an dem das Selbstbewusstsein bspw. gemessen werden kann.
Es sollte sich zur Depressionsvorbeugung aber nicht um zu große Kontraste halten, die die von uns konstruierte virtuelle Realität zur Phantasie werden lassen und uns hart auftreffen lassen kann, wenn permanent unterdrückt; denn Triebe auszuleben macht uns Spaß, wir sind schließlich Tiere mit Verstand.
Die hier beschriebene Phantasie als wirklicher Präferenzabbildung in manchen Bereichen des Lebens zu verfälschen heißt entweder sich selbst gewisse Dinge nicht eingestehen zu wollen oder, dass wir in Abhängigkeiten leben; Abhängigkeiten, die unsere Persönlichkeit konstruiert, die viel mehr ist als ein paar geschriebene Zeilen, Bilder und Videos; doch auch das was wir als Persönlichkeit im realen Leben inkorporieren ist zwar komplexer, d.h. aber nur anfälliger dafür manipuliert zu werden, u.a. vielleicht gefördert durch das Internet.
Letztendlich muss diese Kolumne auf das triviale reduziert werden: Ein Appell an die Ehrlichkeit und den bewussten Umgang mit sich selbst. Wenn da nur nicht die Sucht der Bewertung in einem gesellschaftlichen System und folglich des Vergleichs und evtl. Neids wäre. Längst hat man den Wert der Informationen und des besser informiert seins oder falsch Informierens erkannt. Vorteile nicht zu nutzen, ist in unserem System ein Fehler. Vergesst jedoch nicht, dass ihr kein Bewertungsobjekt seid, sondern ein Subjekt mit Gefühlen und Präferenzen, für die ihr euch nicht schämen solltet, wenn ihr meint ein selbstbewusster Mensch zu sein oder wirklich einer sein wollt.
Wie sollte man zu einem Schauspieler Vertrauen und Gefühle aufbauen können?
 
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9 Kommentare zu diesem Artikel
30.11.06, 13:53 Uhr #1 von Becks
Erinnert mich stark an sh.de
Wenn man alle Profile wortwörtlich nehmen würde, würden sich auf sh.de warscheinlich die tollsten Menschen der Region tummeln. Dabei ist es wohl offentsichtlich das die meisten ihre virtuelle Persöhnlichkeit bis ins extremste manipulieren, ob mit Fotos, Videos oder Angaben.
Ich denke mal es ist jedem klar, je spektakulärer jemand sein Profil gestalltet um so mehr weicht dies wohl von seine r Real-life-Persöhnlichkeit ab.
Bestes Beispiel ist wenn man auf eine Party geht und sich am nächsten Tag die Fotos auf sh.de ansieht. Meisten stellen sich die Leute welche mit eher durch "mittelprächtiger Erscheinung" am Vorabend aufgefallen sind, ziemlich groß da.
03.12.06, 15:22 Uhr #2 von Kawakazee
Es ist wohl war, dass du in Netzt diene "dunklen" Seiten ausleben kannst. Aber wo ist der Unterschied zwischen dem Leben im realen und im virtuellen. SO wie man sich z.B. im Profil beschreibt, so ist das ideale Selbstbild So kennen eiunen die Menschen nun mal zunächst. Es ist demnach eine Erwartung bezüglich deines von dir gewünsachten Idealbildes, das die Menschen von einem erwarten. Insofern ist es kein Doppelleben, das man führt, Es ist die Schwierigkeit, von einem eindimensionalen Bild, dass sich Menschen aufgrund des Internets von einem machen auf die Mehrdimensionalität eines Menschen zu schließen. Aber das ist meistens desillusionierend für die meisten....

Insofern ist es meiner Meinung nach viel komplexer unds nicht nur auf das Internet anwendbar, was in der Kolume beschrieben wird. Es geht soweit, dass es auf die letztmöglichen Ebene eines Doppellebens zurückgeführt werden kann: AUf das eigene Innenleben, einen Konflikt innerhalb der eigenen Person.
05.12.06, 21:57 Uhr #3 von Sonnenschutz
@Discoboy:
05.12.06, 23:40 Uhr #4 von Kawakazee
@ Discoboy: Proles, aus dem Lateinischen für Sproß, Nachkomme, wird im Grunde dafür verwendet Neureiche zu betiteln. Sprich, Menschen, die ihren neu erworbenen Reichtum demonstrativ zeigen. Auch als Angeber definierbar. Ergo können wir kiene Proleten sein, da wir uns nur in bestimmter Weise, so gesehen nicht arm ausdrücken. Und jetzt ziehe ich mir mien virtuelles Goldkettchen an!
Dieser Eintrag wurde 1 mal editiert, zuletzt 05.12.06, 23:40 Uhr
06.12.06, 15:10 Uhr #5 von Sonnenschutz
Meine Zustimmung bezüglich Discoboys Feststellung bezog sich eher auf die Kolumne selbst...
07.12.06, 10:10 Uhr #6 von lillymarlen
@kawakazee:mag sein,dass das bild das ein mensch von sich vermittelt auf den ersten blick oder klick das gleiche ist,doch wie lange hält dieses bild jeweils an?bzw. kommt es im real life überhaupt zustande ?angefangen bei rein äußerlichen dingen:an jedem gesicht lassen sich schokoladenseiten finden und findet man die nicht so stellt man vielleicht lieber das bikinibild vom letzten uraub rein.
das gleiche gilt für die vituelle kommunikation:natürlich lassen sich viele auch blenden wenn ihnen der gesprächspartner direkt gegenüber sitzt,vielleicht interessiert sie auch nicht was wirklich dahinter steckt,jedoch lässt sich dieses gerüst das man um das eigene wirkliche wesen aufbaut viel länger aufrechterhalten wenn stimmlage,gestik,mimik etc. nicht etwas ganz anderes verraten.
und meistens sind es doch gerade diese dinge die ienen menschen symphatisch oder unsyphatisch erscheinen lassen.
auch intelektuelle fähigkeiten lassen sich so einfach aufmöbeln wenn nebenher google fleißig am werk ist und zeit zur bedachten ausdrucksweise vorhanden.
natürlich sind es auch immer die anderen,die dieses verzerrte bild zulassen und genau die dinge, die wir besonmders unterstreichen wollen kommentieren.
ob man darin jetzt etwas schlechtes sieht, bleibt jedem selbst überlassen.
diverse vorkommnisse haben gezeigt,dass es möglich ist sich ein völlig virtuelles leben aufzubauen wenn man das möchte.
in wieweitdabei der aspekt des privaten und intimen leidet ist wohl schwierig zu bemessen und zu verallgemeinern.

meine persönliche meinung ist,dass es schön sit sich so eine virtuelle persönlichkeit zu schaffen,es macht spaß.allerding sollte es das bleiben:spaßig,ein zeitvertreib sein,eine abwechslung zu der persönlichkeit die wir schon sind und die nie fehlerfrei ist.
wenn es so bleibt,nicht das wirkliche leben beeinflusst,uns nicht abhält von dingen die wir wirklich tun wollen...dann seh ich darin kein problem.
07.12.06, 13:26 Uhr #7 von latut
Anstrengend zu lesen. Wieder eine zu geschwollene Ausdrucksweise, die versucht, ein einfaches Thema besonders wichtig zu machen. Es dürfte hinlänglich bekannt sein, dass es einen himmelweiten Unterschied zwischen der reellen und der virtuellen Realität gibt - und sich jeder diese Möglichkeit auf seine Weise zu Nutze macht.
12.01.07, 09:56 Uhr #8 von Sandro_P
@latut: Geh mal zur Schule wenn du nix raffst. Schlaue Menschen benutzen eben schlaue Worte.
12.02.07, 20:41 Uhr #9 von Lemonbaby
Eigentlich benötigt es hier keines weiteren Kommentars... Trotzdem kurz: Ich finde, dass die im Text angesprochenen Motive nicht unterschätzt werden sollten. Deshalb: , dafür, dass jemand dieses Phänomen mal so nett in Worte gefasst hat v.a. auf einer Seite wie sh.de...
Dieser Eintrag wurde 1 mal editiert, zuletzt 12.02.07, 20:41 Uhr
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