Artikel: Interview mit Ausbilder Schmidt[ Interviews ]
19.11.2007  |   Klicks: 1831   |   Kommentare: 5   |   Autor: Selbstfinder
Interview mit Ausbilder Schmidt
Holger Müller aus Idar-Oberstein dürfte nur den Wenigsten ein Begriff sein. Sobald jedoch „Ausbilder Schmidt“ fällt, weiß jeder um wen es geht. Wir trafen „den Chef“ Backstage im Capitol und hatten somit die Möglichkeit, ihm etwas auf den Zahn zu fühlen.
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Vervollständige bitte folgenden Satz aus Sicht von „Ausbilder Schmidt“: Verweigerer und Zivis sind…
Holger Müller
Natürlich die größten Luschen, die dieses Land je gesehen hat!

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Demnach bist du auch privat großer Bundeswehrfan? Du warst ja selbst 15 Monate bei der Luftwaffe.
Holger Müller
Nein, privat bin ich eher Pazifist. Die Rolle ist natürlich gespielt, eine Persiflage. Das ist jetzt aber auch kein Rachefeldzug gegen die Bundeswehr. Mit dieser Figur kommt man in eine schöne Fallhöhe, wie wir Comedians sagen. Der Ausbilder ist zwar böse, aber auf der zweiten Ebene auch sehr tollpatschig. Mit so einer Figur kann man dann auch sehr viel machen im Comedybereich.

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Apropos Rachefeldzug, ich habe gelesen du hast dir zu deiner Bundeswehrzeit mit Kreide ein Abzeichen auf die Schulter gemalt, um anschließend ein paar Kameraden zu schikanieren. Gab es Rache dafür?
Holger Müller
Da gab es Ärger, ja. Es war so, dass ich am ersten Wochenende gleich Dienst hatte. An deinem ersten Wochenende hast du einfach die Arschlochkarte und das ist echt bitter. Man hat zu Hause ja seine Freundin und so, kennt man ja. Und man hat natürlich auf der Schulter noch kein Abzeichen drauf und damit ist mal gleichzeitig der Arsch. Jeder, der was drauf hat ist eine Art Gott und wenn man nichts drauf hat, ist man eben nichts. Uns war dann langweilig und wir dachten uns, wir malen uns lustige Abzeichen da drauf, laufen in die andere Kompanie und machen uns einen kleinen Spaß mit denen. Wir wollten die eigentlich gar nicht groß schikanieren. Aber genauso ist es dann doch geendet. Ich natürlich vorne weg, der „Ur-Ausbilder“ sozusagen. Womit wir da nicht gerechnet haben war, dass die uns das tatsächlich geglaubt haben. Wir dachten, die erkennen das gleich, lachen drüber und man trinkt gemütlich einen zusammen, aber die haben uns das dann doch geglaubt. Wir haben das ein wenig ausgenutzt und am Ende gab es dafür schon ein bisschen Ärger.

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Du warst bei den Soldaten in Sarajevo. Haben die vor Ort eine andere Art von Humor bezogen auf dieses Thema? Haben die deine Späße anders aufgenommen als dein „normales“ Publikum?
Holger Müller
Dort waren sehr viele Soldaten Wehrpflichtige, die fanden „Ausbilder Schmidt“ natürlich gut. Bei den Zeitsoldaten… mittlerweile können die Meisten darüber lachen. Für mich war das so ein bisschen die Höhle des Löwen, aber ich bin da sehr nett empfangen worden. Die hatten letztendlich eine Menge Spaß gehabt und sind für jede Abwechslung dankbar, das muss man natürlich auch sagen. Alles was so in Richtung „Show“ und „Entertainment“ geht wertet den Kasernenalltag auf. Man ist ja weit weg von der Heimat und deswegen waren die froh, dass ich da war und ich wurde eben bestens behandelt.

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„Ausbilder Schmidt“ gibt es mittlerweile schon seit 1999. Was muss man dafür tun, dass so eine Figur nach acht Jahren auch für einen selbst nicht "ausgelutscht" wirkt?
Holger Müller
Du musst die Figur ständig weiterentwickeln. Entweder man trägt so eine Figur an der Oberfläche ab, dann ist die nach ca. zwei bis drei Jahren erledigt oder es gibt ja auch Kollegen, die haben ein Figurenprogramm. Die haben dann fünf oder sechs Figuren in einem Programm. Wenn man aber wie ich schon so lange eine Figur macht, dann muss man in die Tiefen gehen und Facetten finden. Man überlegt sich z. B. dass der Ausbilder eine Leidenschaft für Gänseblümchen hat. Das muss im Programm auch gar nicht unbedingt rauskommen, aber es könnte. Das ist eine Schwäche, die er hat. Und so arbeitet man an Figuren und entwickelt diese immer weiter. Ist jetzt ja auch schon mein drittes Programm und in jedem Programm muss mit der Figur ein bisschen was passieren. Dann hat man ja auch noch das Umfeld der Figur. Da kommt jetzt der Opa noch hinzu, die Frau, man hat also im Umfeld noch weitere Figuren, die man selbst nicht spielt, aber über die man erzählen kann. Das macht die Geschichte dann spannend.

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Das ist ja, wie du grad schon erwähnt hast, mittlerweile deine dritte Figur. Hast du schon Pläne für eine vierte oder heißt es dann: „Ehrenhaft entlassen, ich gehe zurück auf die Kleinkunstbühne.“?
Holger Müller
Das weiß ich noch nicht. Ideen hat man ja immer wieder, aber wirklich jetzt durchgespielt hab ich sie noch nicht. Wenn man an einer Figur arbeitet, dann zieht das die ganze Kreativität dort hinein. Das hängt auch immer von zwei Punkten ab. Einmal, ob es das Publikum sehen will, das ist natürlich der wichtigste Punkt und natürlich auch, wie lange man selbst Lust hat, die Figur zu spielen. Es kann ja theoretisch sein, dass man nach drei Jahren keine Lust mehr hat, eine Figur zu spielen. Man muss es sich aber als Künstler auch leisten können, zeitlich wie auch finanziell, dass man mal ein Jahr Pause macht um dann beispielsweise mit etwas anderem durchzustarten. Wenn man tourt, kann man ein wenig was auf die Seite legen und anschließend sagen: „Ok, jetzt gönn ich mir mal ne kreative Pause.“ Und so wird es vermutlich dann auch sein. Mal schauen, in dem Job kannst du eh nie lange planen. Ich habe jetzt im Sommer auch einen Film gedreht, da wusste ich auch nie, kommt der oder kommt der nicht. Da ist man vier Jahre am Planen und am Drehbuch schreiben, aber letztendlich ist das eine Geldfrage. Und irgendwann kommt der Tag, an dem hat man das Geld zusammen und man muss seinen ganzen Tourplan umschmeißen, man ist dann ja drei Monate weg und am Drehen. Einplanen kann man das einfach nicht und dann ist der Film abgedreht, er gefällt einem aber wollen die Leute ihn sehen oder doch nicht?

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Auf den Film wollte ich noch zu sprechen kommen. Um was wird es gehen?
Holger Müller
Der Film ist eine Action Komödie, das ist kein – wie man vielleicht denkt – „Sprücheklopfer Film“, in dem der Ausbilder im Kasernenhof steht und eben Sprüche klopft. Es ist fast schon eine Art Road Movie. „Ausbilder Schmidt“ rettet die Welt, ohne dass er irgendwas dafür kann. Er riecht überall Verrat und sieht überall Terroristen, die es tatsächlich auch gibt. Aber das sind dann nicht die „klassischen“ Terroristen, die irgendwie für eine Religion einstehen oder so was, sondern es sind feministische Terroristen. Denen ist er auf der Spur, aber ganz Deutschland glaubt, dass der Ausbilder ein Schläfer sei und jagt ihn. Er sucht dann Zuflucht bei seinem Opa, in dessen Garten und er muss sich dann einer Männerballetgruppe anschließen und geht damit auch ganz extrem an seine Grenzen. Aber motiviert durch die Prinzessin, die er beschützen muss – er hat sich ein bisschen in die Prinzessin verliebt, obwohl er ja verheiratet ist – geht er trotzdem über seine Grenzen.

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Zurück zur Comedy. Du warst auf der Kölner Comedy Schule. Wie kann man sich da eine Ausbildung vorstellen? Wird man nicht zum Komiker geboren, sondern lediglich ausgebildet?
Holger Müller
Doch, man muss schon gewisse Voraussetzungen erfüllen. Natürlich muss man Talent haben, muss auch schon auf der Bühne gestanden sein und eine gewisse Grunderfahrung vorweisen können. Als Komiker muss man auch gewisses Alter haben. Als Musiker kann man ja schon in sehr jungen Jahren eintreten, in der Comedy ist es da aber sehr schwierig mit Anfang 20. Bei vielen Themen wirst du da noch gar nicht ernst genommen. Je älter man ist, desto besser für einen Komiker. Die Lebenserfahrung macht dich hierbei einfach glaubhafter. Wenn du z. B. über Dinge wie Scheidung redest, das ist mit 21 einfach schwierig, da glaubt dir keiner. Wobei die Tendenz natürlich schon immer mehr in Richtung junge Comedians geht, weil die jungen Leute mittlerweile auch ihre Themen behandelt haben wollen. Ich denke, das ist eine ganz gute Entwicklung. Die Comedy Schule behandelt dann die Professionalisierung. Man hat Kurse gehabt in den klassischen Dingen wie Pantomime, Clownerie, Stand Up und Improvisation. Man hat ein wenig Medienkunde gehabt, wie verhält man sich in einem Interview und solche Sachen. Man hat auch diverse Auftritte gehabt, geht auf Tour um da die ersten Erfahrungen zu sammeln, man konnte Praktika bei Produktionsfirmen machen und so war das schlussendlich eine ganz gute Konstellation, um professionell in dieses Geschäft hineingeschoben zu werden.

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Was ist für dich persönlich schwieriger? Alleine auf der Bühne als Stand Up Comedian zu stehen oder Theater zu spielen? Was ist herausfordernder?
Holger Müller
Um mal bei dem Film zu bleiben, das war natürlich eine ganz große Herausforderung, weil man da ganz anders spielen muss. Vor der Kamera spielst du im Prinzip nur für die erste Reihe und dort dann mit sehr viel Energie, während man auf der Bühne eben für den letzten Mann in der letzten Reihe spielt. Das ist, was mir mehr Spaß macht. Ich habe bei dem Film auch wirklich lange gebraucht, um da reinzukommen. Man hat natürlich vorher Kameratraining, das macht dann auch Spaß, aber es ist gut, dass es irgendwann vorbei ist und man wieder zurück auf die Bühne kann. Entweder man ist eben ein Kind der Bühne oder eins der Kamera.

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In einem Interview auf deiner Homepage habe ich gelesen, du seiest Comedian und möchtest die Leute unterhalten und nicht die Welt verbessern. Schließt sich das für dich gegenseitig aus? Kann man nicht komisch sein und gleichzeitig was für die Welt tun?
Holger Müller
Doch, natürlich. Meine Figur ist ja eine Persiflage auf Militär, auf Diktatur und auf Leute, die meinen sie hätten Macht. Aber tatsächlich ist es nun mal so, dass die Leute in mein Programm kommen, weil sie unterhalten werden wollen. Das mache ich natürlich auch mit Themen, die ernsthafter sind und die auch im Fernsehen in den Nachrichten oder in Dokumentationen behandeln werden. Aber die meisten Leute wollen eigentlich her kommen und einfach mal zwei Stunde lachen und mit manchen Problemen nicht konfrontiert werden. Das ist natürlich auch eine Art von Kunst, die Leute zu unterhalten. Aber trotzdem ist natürlich Raum für kabarettistische Einlagen. Das müssen die Leute aber dann auch mitnehmen. Die müssen sich dann nach der Show dann denken: „Ah, da hat er sich bestimmt was dabei gedacht.“ Da sag ich immer, es ist schön, wenn die Leute von dem Programm etwas mitnehmen und zwei Tage später noch immer daran denken, dann war es gut. Ich löse die Witze aber nur selten auf, das ist dann schon Aufgabe des Zuschauers.

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So, oft kommt ja die Frage nach den Vorbildern, die möchte ich nicht stellen. Ich möchte stattdessen von dir wissen, wer aktuell der beste Comedian ist.
Holger Müller
Aktuell der beste Comedian… da muss man ein bisschen unterscheiden. Der beste Comedian ist aktuell Hape Kerkeling. Für mich eine ganz große Nummer, mit diesem unglaublichen Comeback und wie er auch mit seiner Figur Horst Schlemmer noch mal allen gezeigt hat, wie es geht. Der Typ ist echt grandios. Vor allem nimmt er sich auch immer wieder die Zeit, ist weg und macht was Neues. Der ist dann auch wirklich Vorbild. Bester Stand Up ist für mich natürlich Mario Barth. Hier gehen die Meinungen etwas auseinander, aber ich denke viele sind auch neidisch auf seinen Erfolg und den hat er, er hat grad das Olympiastadion beispielsweise vollgemacht. Er spricht eben einen Großteil der Bevölkerung an und er ist auch nur da oben, weil er einfach der Beste ist. Sonst würde das nicht funktionieren. Vom Handwerk her, vom Stand Up ist er einfach der Beste. Und danach komme ich schon!
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Vielen Dank an Holger Müller und den Veranstalter des Rhein-Neckar Comedy Festivals für das Interview.

Infos zum Rhein-Neckar Comedy Festival:
http://www.schneckenhof.de/EventDetail?eventId=117 37
 
5 Kommentare zu diesem Artikel
19.11.07, 14:06 Uhr #1 von _Desperado_
Ein gutes Interview, das sich eindeutig von den Üblichen unterscheidet
19.11.07, 16:05 Uhr #2 von DaNati
echt cool dat interview
@selbstfinder:hast du den interviewt,ne?wie is der denn so?ich glaub nämlich,ich könnt mich nich normal mit nem comedian unterhalten...ich würd nur bei dem gedanken an dem seine Sprüche laut loslachen... is ja aber auch relativ
19.11.07, 16:26 Uhr #3 von Selbstfinder
Ich hab den interviewt, richtig. Der ist auch privat saulocker drauf, ein wirklich sympathischer Typ. Gibt nichts zu meckern. Und gelacht haben wir genug, mein Diktiergerät ist Zeuge
23.11.07, 17:42 Uhr #4 von Becks
Ich find den Typ ziemlich langweilig, ich mache grad meinen Wehrdienst und unsere Ausbilder kloppen jeden Tag mehr und bessere Sprüche als der bzw. Ausbilder Schmidt bereitet die alten ausgelutschten Bundeswehr-Standart-Gags für Zivilisten auf.
Wer mal richtig geile Sprüche hören will kommt mal einen Tag zu uns!
03.12.07, 18:29 Uhr #5 von Lemonbaby
Möchte mich Desperado mal anschließen. Egal wie man sein [Ausbilder Schmidts] Programm oder die Figur findet, hier erfährt man etwas über die Person dahinter und das ist wirklich spannend.
Dieser Eintrag wurde 1 mal editiert, zuletzt 03.12.07, 18:29 Uhr
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