Am Samstag, den 29.03.2008, feierte das Stück unter der Regie von Cilli Drexel Premiere im Nationaltheater Mannheim. Das Leben um die Familie Vockerat spielt sich ein einem Treibhaus ab. Ein scheinbarer Schutz, der die geschaffene Idylle gegenüber der Welt draußen schonen soll. Ein beinahe leerer Raum als Widerspiegelung innerer Leere. Dem Privatgelehrten Johannes Vockerat, gerade Vater geworden, fehlt es an intellektuellem Austausch.
Während er sich mit philosophischen und religionskritischen Fragestellungen auseinandersetzt, die seine Mitmenschen besonders seine Frau Käthe nicht zu interessieren und verstehen scheinen, fühlt er sich immer mehr missverstanden und isoliert. Eine Umgebung, in der ihm die Luft zum Atmen genommen wird, die symbolisch in scheinbar unerreichbaren, bunten Luftballons an der Decke hängt.
Als die russische Studentin Anna Mahr, eine ,,Emanzipierte" erfrischend gespielt von Nadine Schwitter, einige Zeit als Sommergast bei den Vockerats verweilt, ändert sich der Zustand von Johannes und er findet endlich das, was er bei seiner kleinbürgerlichen Frau und seinen Eltern so vermisst: ,,Dieses Wissen! Die Selbständigkeit im Urteil!" Anna wird zur Erfüllung seines geistigen Strebens. Erstmals findet er einen Menschen, der ihm intellektuell ebenbürtig ist und zwischen beiden entsteht eine tiefe Verbundenheit. Alle anderen Familienmitglieder beobachten diese Situation mit zunehmender Sorge und Kummer stehen ihr zunächst jedoch machtlos gegenüber. Käthe leidet still und fühlt sich der klugen Anna hoffnungslos unterlegen, während die frommen Mutter zunehmend moralische Bedenken äußert. Die Situation scheint zu eskalieren und die Personen um Johannes drohen an diesem Zustand zu zerbrechen. Luft zum Atmen ist jetzt gegeben, die Luftballons hängen nur noch schlapp von der Decke. Diese ausströmende Luft kann nicht genutzt werden. Chaos auf der Bühne, Schneegestöber als Sinnbild der jetzt entstandenen Kälte der Beziehung von Johannes zu seiner alten Welt. Sie haben ihn, er hat sie verloren. Sein Wunsch mit Anna Mahr in einem ,,neuen, höheren Zustand der Gemeinschaft zwischen Mann und Frau" zu leben, kann letztendlich aufgrund konventioneller Zwänge seiner Ehe, der er sich trotz seiner freiheitlichen, modernen Ideen ergibt, nicht erfüllt werden. Er muss Anna gehen lassen und auch er muss Abschied nehmen. Für immer.
Das Stück uraufgeführt 1891 und von der Regisseurin durch Ambiente, Kleidung und Musik in die 60iger Jahre transformiert, hat auch heute an Aktualität nichts eingebüßt. Als Menschen sehen wir uns tagtäglich dem Kampf mit und gegen Konventionen ausgesetzt und müssen Positionen ergreifen. In diesem Sinne bietet die gelungene Inszenierung in Einklang der besonderen Problematik des Stückes Gelegenheit, die eigene Auseinandersetzung Konventionen gegenüber kritisch zu hinterfragen.
Ein empfehlenswerter Theaterabend, der getragen wird durch die emphatische, ausdrucksstarke Spielweise aller Schauspieler. Ab ins Theater!
Weitere Termine: 15 April, 13 Mai
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