Artikel: „Spontane Erinnerungstrübung“[ Events ]
13.04.2008  |   Klicks: 2642   |   Kommentare: 0   |   Autor: pdmax
„Spontane Erinnerungstrübung“
Die Lüge – eine menschliche Erfindung, um sich das Leben leichter zu machen? Lügen scheinen allgegenwärtig und doch selten zu fassen. Sie sind überall. Die "Weltgeschichte der Lüge" von Dieter Hildebrandt und Roger Willemsen in der Alten Feuerwache bot beste Unterhaltung.
Dieter Hildebrandt und Roger Willemsen, zwei Urgesteine der deutschen Kulturlandschaft und etwas abgedunkelte Lichtgestalten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens (Willemsens Woche, Scheibenwischer) gaben am Samstag in der Alten Feuerwache einem gleich zwei mal ausverkauftem und begeistertem Haus ihr „Ehrenwort“, um gleich darauf zu zeigen, welch kurze Haltbarkeit solche Ehrenwörter haben.
Die Lüge ist überall, und das von Anfang an – so oder so ähnlich lässt sich der über zweistündige Ritt der beiden begnadeten Rhetoriker durch den Gemüsegarten beschreiben.
Natürlich ist die Lüge in der Jetzt-Zeit Thema aller Medien, quer durch alle Sparten. Dabei zeigt sich, dass Politiker augenscheinlich besonders gefährdet sind, einer der ältesten Volkskrankheiten der Welt zum Opfer zu fallen. Ob das wohl famoseste Beispiel Norbert Blüms („Die Rente ist sicher“), Bill Clintons „I did not have a sexual relation with that woman.“, Helmut Kohls „Spontane Erinnerungstrübungen“ bis hin zum hessischen Trauerspiel um Roland Koch und Andrea „Lügilanti“, wie Willemsen sie knapp bezeichnet, die Lüge ist im Polit-Alltag scheinbar Gang und Gäbe. Doch die beiden Wortvirtuosen haben weit mehr zu bieten, als das bloße Aufzeigen politischer Lügen. Die Tierwelt, die Pflanzenwelt, erst recht der Literaturbetrieb und sogar die Liebe sind rege Betätigungsfelder der Lügenbolde aller Couleur.
Das Programm „Die Weltgeschichte der Lüge“, dass an sich nicht mehr das Jüngste ist, hat einen großen Vorteil: ihm geht der Stoff nicht aus. Mit Lügen assoziieren wir „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er 1000 mal die Wahrheit spricht“ oder „Lügen haben kurze Beine“, und es scheint, dass wir schon in frühester Kindheit das Lügen lernen.
Ist Lügen also menschlich? Gar unumgänglich? Ja, vielleicht.
Aber vor allem ist Lügen grandiose Unterhaltung auf höchstem Niveau an diesem Nachmittag bei Hildebrandt und Willemsen. Weit davon entfernt, belegbar zu sein, faktisch sicherlich zum Haare raufen, aber gleichzeitig so herzerfrischend sprachgewandt und schonungslos, dass man mit der sicheren Erkenntnis den Saal verlässt, noch nie im Leben so schön belogen worden zu sein. Absolut sehenswert!


**TIPP**

Die CD des Programms „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort. Die Weltgeschichte der Lüge“ als Livemitschnitt des Auftritts von der lit.COLOGNE 2007 ist auf Grund teilweise anderer Inhalte auch für Kenner des Programms auf jeden Fall einen Blick wert.
 
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