Vom 24.05-31.05 erwartet Mannheim eine Woche Theater satt. Neben den Aufführungen wird es zusätzlich die Möglichkeit zur Diskussion mit den jeweiligen Autoren geben. Eine einladende, viel versprechende Möglichkeit das Nationaltheater und sein vielseitiges Programm kennen zu lernen oder neu zu erfahren und für uns ein willkommener Anlass ein Blick hinter die Kulissen des Nationaltheaters zu werfen. Aus diesem Grund suchen wir das Gespräch mit dem Chefdramaturgen des Hauses Ingoh Brux und stellten ihm einige Fragen zu der zweiten Woche der neuen Dramatik und seiner Arbeit am Nationaltheater Mannheim:
Arbeit eines Dramaturgen
Das Aufgabengebiet eines Dramaturgen ist sehr vielseitig. Zunächst beschäftigt er sich mit der Ausarbeitung des Spielplans. Welche Stücke sollen gespielt werden, wer soll inszenieren und welche Besetzung wird gewählt. Bei der Auswahl neuer moderner Stücke informiert er sich durch Lektüre der Theaterwelt oder durch den Besuch von Wettbewerben junger Regisseure, die für das Haus gegebenenfalls interessant sein könnten.
Einschlägige Kriterien für die Auswahl von Theaterstücken am Nationaltheater Mannheim
Das Nationaltheater hat sich zum Ziel gesetzt auf der einen Seite besonders die Klassiker des deutschen Theaters zu spielen aber zeitgleich auch Raum für das zeitgenössische, junge, moderne Theater zu bieten. Als spezielle Einrichtung gibt es am Nationaltheater zusätzlich einen jährlich wechselnden Hausautor. Dieser wird für eine Spielzeit am Theater angestellt und finanziert und gefördert durch die Stiftung der Freunde und Förderer. Durch die sonst für Autoren eher ungewohnte Arbeit direkt am Theater soll er sich diesem und speziell auch dem räumlichen, kulturellen und sozialem Umfeld des Hauses nähern. Diese Annäherung kommt anschließend in den geschriebenen Stücken zum Ausdruck ( Anmerkung der Redaktion: Der Hausautor der laufenden Spielzeit ist Christoph Nußbaumeder, der für das Nationaltheater das Stück Jetzt und in Ewigkeit - siehe Artikel im Archiv Kulturelles- schrieb).
Aufgabenverständnis des Theaters in der heutigen Zeit
Welche Rolle kommt dem Nationaltheater in der heutigen Zeit zu ? Nach kurzem Nachdenken merkt Herr Brux an, auch wenn das jetzt vielleicht sehr illusionistisch klingen mag, aber in meinen Augen ist die Kunst und mit ihr das Theater einer der wenigen Bereiche, (neben ihr natürlich noch die Liebe), die sich noch als autonom gegenüber dem Diktat der Ökonomie erweisen kann. Auch wenn natürlich Sponsoren und die öffentliche Hand sich finanziell an ihr beteiligen müssen. Aber dennoch, die Kunst gibt dem Menschen einen Freiraum, in dem er endlich aus sich heraustreten kann. Ein Raum, der kritische Reflexionen zulässt. Wir als Gesellschaft müssen uns zwingend solch einen Raum, der uns Wege frei macht über uns selbst nachzudenken, leisten.
Wird dieser Raum zum Beispiel durch die Vielseitigkeit neuer Medien gefährdet?
Die neuen Medien treten nach Meinung von Herrn Brux verstärkt als Konkurrenz zum Theater auf. Er ist der Meinung, dass sich das Theater in einer Phase befindet, in der es sich neu finden und gegebenenfalls neu positionieren muss.
Zwingende Neupositionierung
Vor allem durch Schiller und Lessing und der zunehmenden Emanzipation des Bürgertums hat es das Theater geschafft, von der traditionellen Unterhaltungsebene zum Sprachrohr der Bürger zu werden. Die Qualität, die das Theater durch dieses Aufgabenverständnis leistet, muss von den Bürgern weiterhin verstärkt wahrgenommen werden. Wir müssen es schaffen, sie von Ihrem PC wieder ins Theater zu locken, in die weitaus realere Welt. Ja, in die reale Welt, wie sie sonst vielleicht nur im Fußballstadion oder in der Kirche existiert. Möglich wird das nur durch mehr Kommunikation nach außen sein.
Wege der Kommunikation nach außen
Das Theater muss sich mehr öffnen und die verstärkt die direkte Begegnung mit den Menschen suchen. Die Leute sollen nicht den Eindruck bekommen, dass wir uns hier in unserem Kosmos, weit weg jeglicher Realität, befinden.
Einen guten Ansatz in die Richtung gibt zum Beispiel Müller fährt das Straßenbahnprojekt von Gesine Danckwart. Manche Fahrgäste bekommen einen Kopfhörer auf und fahren durch die Straßen Mannheims. Dabei nehmen sie, die ihnen scheinbar vertraute Stadt aus einer neuen und gegebenenfalls anderen Sichtweise wahr. Man geht also raus, verankert sich in der Stadt und die Stadt merkt: Wir lassen und auf sie ein, die Menschen sollen merken, es geht uns um ihr Leben und genau sie sind gemeint. Eine tiefgehende ,liebevolle und kritische Auseinandersetzung mit der Stadt, wenn sie so wollen. Wichtig dann, das man von all dem auch Ansätze auf der Bühne zu spüren bekommt.
Die zweite Woche der neuen Dramatik
Das Nationaltheater bietet in dieser Woche ein vielseitiges umfangreiches Programm. Speziell für unsere Community an Lesern haben wir das Stück Lilja-4-ever ausgewählt ( Verlosung für 2 Karten), an dem auch Ingoh Brux als Dramatug mitgearbeitet hat. Worauf kam es Ihm und dem Regisseur Simon Sollberg bei der Ausarbeitung dieses Stückes besonders an?
Das Stück handelt von einem Mädchen, das verlassen von ihrer Mutter ums Überleben kämpft und letztendlich gezwungenermaßen anfängt in einem Nachtclub zu arbeiten. Sie verliebt sich in einen Mann, der ihr das schöne Leben verspricht. Sie muss realisieren, dass es ihm nur ums Geld geht und er sie nur verkaufen will. Das Stück beruht auf dem gleichnamigen Film, über zwei Kinder, die in einem Land leben, das einst ein Teil der Sowjetunion war. Ein Land, das jetzt in Trümmern liegt und über reiche Leute, die glauben, dass man alles kaufen kann und über arme Leute, die dazu gezwungen sind, ihren ganzen Besitz zu verkaufen. Für den Regisseur Simon Sollberg war dieses ganze Ost/West Ding nicht so interessant, eigentlich könnte das Stück auch hier in Mannheim spielen. Oder in jedem andere Rand einer Global City. An einem Ort also , wo die Ausgeschlossenen, die an den sozialen Rand gedrängten Verlierer und Verbannten oft nur noch ihren eigenen Körper anbieten können, um im alltäglichen Überlebenskampf nicht unterzugehen. Oder bezogen auf all die scheinbar privilegierten Menschen, die angeblich in Glück schwelgend nichts weiter als den tiefen, inneren Wunsch hegen von der Außenwelt endlich wegen Ihrer selbst und nicht wegen irgendeiner hingelegten Karriere wahrgenommen zu werden. Im Heidelberger Kunstverein gibt es passend zu dem Phänomen zunehmender urbaner Ghettoisierung vom 6.6-31.8 eine Ausstellung Islands&Ghettos, die sich mit dieser Thematik und Problematik der Städte auseinandersetzt. Auf diesem zunehmenden, schleichenden Prozess in deutschen Großstädten soll besonders aufmerksam gemacht werden.
Schneckenhof.de verlost in Kooperation mit dem Nationaltheater für die Aufführung von Lilja-4-ever am 29.05 im Rahmen der zweiten Woche der neuen Dramatik 2 Karten. Um an der Verlosung der Karten teilnehmen zu können, müsst ihr lediglich eine Snailmail mit dem Betreff "Woche der neuen Dramatik" an den Benutzer "Verlosung" schicken. In der Mail solltet Ihr unbedingt Euren vollständigen Namen sowie Eure Emailadresse angeben. Einsendeschluss ist der 27.05.08
Das Schneckenhofteam wünscht viel Erfolg!
Für weitere Informationen und das vollständige Programm zur zweiten Woche der neuen Dramatik siehe:
www.nationaltheater-mannheim.de