Artikel: Der 14-Stunden-Trip [ Kolumne ]
07.10.2005  |   Klicks: 3007   |   Kommentare: 6   |   Autor: Yetused
Der 14-Stunden-Trip
Was passiert, wenn Vater und Tochter sich auf eine Reise begeben? Clinch, Zoff, spontane Gespräche, kuriose Ereignisse, Absurditäten, das Lüften eines Geheimnisses? Schlimmer. Aber sehen Sie selbst...
Manchmal sind Väter spontan. So auch neulich Abend, als ich gestylt und mit meinen beiden Koffern bepackt meine Mutter anlächelte: "So, ich bin fertig. Du kannst mich nun zum Bahnhof fahren. Ich geh zurück nach Mannheim." Sich für eine Minute zwischen die beiden auf die Couch zu setzen, änderte jedoch meinen Plan, da mich mein Vater auf die morgige Geschäftsreise nach Milano mitnehmen wollte. O-Ton: "Du wirst die Show für diese ganzen italienischen Endzwanzger dort sein.“ Fragend blickte ich meine Mutter an. Sie: "Ich hab um die Uhrzeit sowieso keine Lust mehr dich zu fahrn."

Was mich zu dieser Zeit schon viel mehr beschäftigte war, wo ich nur eine Sonnenbrille für die Alpensonne herbekäme.

Übermüdet rollte ich mich in aller Herrgottsfrüh von der Matratze am Boden (ja, bei den B.'s werden Gäste gut empfangen) und trank schlaftrunken meinen morgendlichen Apfelsaft. Die gewohnten Restaurationstechniken vor dem Ganzkörperspiegel ("Ja doch! Ich komme gleich, Pa!") wurden nur durch einen Vater mit Hummeln im Hintern unterbrochen.

Die Fahrt in der schnieken High-End-Limo lies mich Basel ("Hallo Herr Zollbeamter!") kennenlernen, den Gotthard-Pass mit einem Kurvenfetischisten erkunden ("Ach, hier kann man ruhig 80 fahrn.") und den Kontrast zwischen schweizerischen und italienischen Tunneln bestaunen. Letztere weisen sich durch ihre kaputte Beleuchtung und bröckelnden Putz aus.

Im Zielort Milano angekommen betraten wir die Werkstatt und wurden mit den Worten "Let’s go to lunch" vom Chef willkommengeheißen. In meiner Abwesenheit ("Hey, coole Spülknöpfe hier in Italien.") wurde mir Pasta mit Pesto bestellt - °kreisch°. Wenn man schon mal in Italien ist, dann verköstigt man doch die leichten Sommersalate und die würzigen Antipasti! Nichts anderes taten die Arbeiter und Ingeneure - wir Tedesci drückten uns jedoch die ölig triefenden Nudeln rein. °seufz°

In der Druckmaschinenwerkstatt zurück verfehlte ich meinen Auftrag kaum: Sämtliche 1,70-Männerausgaben wollten Fotos mit mir und diskutierten über Schuhe und Hosen (für alle Unwissenden: Meine Weinigkeit ist geschlagene 185 Zentimeter lang). Sie bestaunten meine Studienwahl ("Law? Oh that's difficult!") und wollten die große Frau in die tolle Welt des Ingeneurwesens einweihen – die kannte sie jedoch schon.

Auf der Rückfahrt in die Schweiz hinein wurden wir Beteiligte einer wunderbaren Farce. Der braungebrannte schweizer Zollbeamte mit dem sexy Accent studierte unsere Pässe, meinen ganz besonders. Bild – mein Gesicht – Bild – mein Gesicht – Bild - mein Gesicht ... Nun, man muss dazu sagen, dass ich mit besagtem Lichtbild einer erdrosselten Moorleiche glatt die Show stehlen würde. Meine Haut ist lila mit Grünstich und fleckig, meine Haare schwarz und stumpf, meine Lippen lila angelaufen und die Schatten unter den Augen reichen bis zur Nasenspitze. Ich hätte die Leute vom Bürgerbüro gleich verklagen sollen, als sie mir den entstellten Personalausweis präsentierten. Doch der Mann in Uniform lies sich nicht beirren, sondern forderte meinen Vater auf den Kofferraum zu öffnen.

Er: "Was ist das da?"
Das ist ein großes, sperriges Gerät, das eigentlich nur verhindern soll, dass jemand auf die Idee kommt den doppelten Boden des Kofferraums zu inspizieren.
Pa: "Das ist eine Apparatur zur Veranschaulichung von Bildbearbeitungssystemen. An den Traversen wird eine intelligente Kamera angebracht, welche die unter ihr sich fortbewegenden Print-produkte scannt und mit dem Optimalbild abgleicht..."
Er: "Und wie viel hat das gekostet?"
Aus Geldwäschezwecken habe ich es für 15.000 angekauft
Pa: "Nix. Das hab ich selbst gebastelt."
Er: "Und was haben sie in Milano gemacht?"
Ich präsentierte die junge Billigprostituierte, welche Sie vorhin auf meinen Beifahrersitz schon inspiziert haben, meinen Stammkunden. Wo ich den Pass mit den identischen Nachnamen herhabe, verrate ich Ihnen jedoch nicht.
Pa: "Ich habe einen Kunden besucht."
Er: "Und was ist das da auf der Rückbank?"
Das ist sind drei Kilo Koks in einer abgefuckten Laptoptasche.
Pa.: "Das ist mein Laptop."
Er: "... und das da?"
Das ist der abgeschnittene Finger für die derzeit noch laufende Erpressungsgeschichte.
Pa: "Das ist meine Kamera."

Wir bekamen unsere Pässe zurück und meineeine musste noch weitere zwei Minuten einen starrenden Beamten neben meinem Fenster erdulden. Dachte der, ich würde so 'mir nichts, dir nichts' meine pinke Handfeuerwaffe mit den flauschigen Puscheln aus dem Handschuhfach holen?

Die restliche Rückfahrt freuten wir uns die ganze Zeit wie kleine Kinder auf den fetten Einkauf bei McDoof, der uns bevorstand. Und mit dieser Fressorgie endete dann unser Abend vor dem Fernseher.
 
Bewertung [1-5]: 2.7 Punkte [45 Stimmen]  
Nur registrierte und eingeloggte User können Artikel bewerten.

6 Kommentare zu diesem Artikel
07.10.05, 16:58 Uhr #1 von Spyridon

Na du hast ja bissige gedanken ... hey der ARME Zollheini macht seinen Job ...
darf ich mal dein Pesobild sehen
bye spy
15.10.05, 15:01 Uhr #2 von Yetused
Der arme Zollheini hat mich angestarrt. Das ist wohl schweizer Charme. Mein Pa und ich haben uns köstlich über ihn amüsiert...
28.10.05, 14:24 Uhr #3 von Elisha81
Dein P-bild würde ich auch mal gerne sehen Ab in dein Profil damit
30.10.05, 16:21 Uhr #4 von Yetused
Du suchtest nach einer Grusel-Vorlage für Halloween, Elisha?
Dieser Eintrag wurde 1 mal editiert, zuletzt 02.11.05, 16:21 Uhr
07.03.06, 21:53 Uhr #5 von sunshinejules
DANKE ich habe schon lange nicht mehr SO gelacht!!!!!
17.03.06, 04:32 Uhr #6 von Yetused
[hrhr] Unsere Firma steht jederzeit für Ihre Erheiterung bereit.
Neue Artikel aus Kolumne
Aktuelle Artikel (alle Rubriken)