Wie gewohnt gut gefüllt waren auch diesmal wieder die heiligen Hallen der Popakademie als Markus Kavka ihnen im Rahmen der Open House-Reihe einen Besuch abstattete.
Durchaus spannend und nicht minder unterhaltsam präsentierte der gut gelaunte Gast den Zuhörern seine Gedanken und Eindrücke zu so manchem Thema, das nicht nur ihn bewegen dürfte, sondern auch all jene, die nicht mit geschlossenen Augen und Ohren durch das Leben preschen.
Der Abend startete mit einem Gespräch zwischen Kavka und Udo Dahmen, dem künstlerischen Direktor und Geschäftsführer der Popakademie. Neben Beobachtungen zu der Entwicklung des Musikfernsehens hin zu einem "Jugendfernsehen", mit "all den Dating- und Reality-Shows" sowie Cartoons, wie man es inzwischen kennt, gab Kavka unter anderem knapp seine Prognosen für die Zukunft der Musikindustrie ab.
Insbesondere die des Musikfernsehens, zumindest in der traditionellen Form der Musikvideo-Sender, stufte er dabei als eher weniger rosig ein, da es inzwischen zum einen in seiner Produktion schlicht zu teuer sei (ein Problem, dem sich auch andere Bereiche der Musikbranche gegenübergestellt sehen) und zum anderen im Zeitalter von You Tube&Co. einfach nicht mehr in dieser Form nachgefragt würde. Dahingehend passend schloss er mit der Bemerkung, dass Musikfernsehen nun einmal einfach "so 90s" sei. Die aktuellen Formate seien einfach kostengünstiger und damit noch finanzierbar, wobei die Vision bei MTV USA zunächst noch eine von "qualitativ hochwertigem Jugendfernsehen" gewesen sei. Kavka ließ den Folgegedanken dem geneigten Zuhörer zur freien Interpretation offen. Dem entgegen sprach er dem Internet eine zunehmende Bedeutung für die Musikbranche zu. Dieses sei inzwischen der Ort, an dem Innovationen noch möglich seien und auch stattfänden und kreative Ideen noch erblühten, wenn auch in anderer Form, als es noch mit dem Fernsehen der Fall war.
Nach dem Interview ging es dann mit dem "Berufsjugendlichen", wie er sich selbst mit einem Augenzwinkern bezeichnete, auf die (Lese-)Reise. Mal beschwingt, mal in ernsteren Tönen trug er seine kleinen Anekdoten und Erfahrungen aus den letzten Jahrzehnten vor. Dass das mit dem Erwachsenwerden gar nicht so einfach ist, wie man allgemein hin glauben mag, machte Kavka alsbald deutlich. So konnte man zweieinhalb Stunden lang seinen Spuren folgen und mit ihm über so allerlei Kurioses aus der Welt der Musikbranche, aber auch der der "Jugend" schmunzeln.
Er erzählt in seinem Buch von skurrilen Festivalerlebnissen, ersten sexuellen Erfahrungen, miesen Pornos, einer Mutti, die ihm noch heute Spritgeld und Klopapier mit auf den Weg aus der bayrischen Heimat in die "neue" Heimat Berlin gibt, von der Suche nach sich selbst, von gescheiterten Beziehungen, dem Flüchten von Stadt zu Stadt und eben der großen Frage, was all das mit einem anstellt. Die Welt hatte sich wohl allmählich gewandelt und damit auch die Frisuren, Outfits etc., man hatte seine Erfahrungen gemacht und vielleicht auch daraus gelernt, aber ist man deshalb "Erwachsen"?
Wo sollte man sich einordnen, wenn man, wie Kavka selbst, inzwischen Anfang 40 ist und die Sache mit dem Haus, Hund und den Kindern, samt Ehefrau, dann doch noch nicht auf der "Lebensliste" abgehakt ist? Diesem postmodernen Dilemma gemäß, tauchen dann neue Wortschöpfungen wie "Middleyouth" oder "Kidult" auf, die versuchen eben jene Generation samt ihrer Lebensentwürfe zu greifen, die weder wirklich noch in der Pubertät steckt, noch dem "Spießertum" frönt, obwohl die Zwanzig schon gut überschritten sind. Kavka hat für sich eine eigene offene Einstellung entwickelt: "...wenn es passt" eben.
Immer wieder steht das "Leben als steter Lernprozess" einer bloßen "Aneinanderreihung von Erfahrungen" gegenüber. Vielleicht ist es am Ende dann aber doch eine Kombination von beidem. Kavka scheint sich darüber selbst noch nicht so ganz im Klaren zu sein, aber "es eilt ja nicht", wie er selbst sagt. Die Liste der Träume und Wünsche bleibe lang auch mit 41. Insgesamt war es ein Vergnügen ihm zu lauschen. Untermalt war das Ganze stellenweise mit zum Teil wirklich erheiternden Fotos aus seinem ganz privaten Fundus. So durfte man Kavka mal als Popper, mal als New Wave-Punk, im Cowboykostüm oder als "Metal-er" bestaunen - die Liste ist lang. Auf durchaus humorvolle Weise schilderte er so seine individuelle Identitätssuche, um dann zu dem Schluss zu kommen, dass diese Aufgabe wohl nach wie vor noch nicht abgeschlossen sei. Als weisen Ratschlag gab der betagte Junge den Zuhörern dann dennoch eine Kleinigkeit mit auf den Weg: "Lass dir nicht von anderen ins Hirn oder Herz scheißen." - Hamma wieder was gelernt...
Buch:
Markus Kavka
"HAMMA WIEDER WAS GELERNT über das Erwachsenwerden" (2008)
rororo (Rowohlt Taschenbuch Verlag)
8,95