Artikel: Der Rausch, der keinen Stoff braucht[ Seitenblicke ]
03.04.2013  |   Klicks: 3300   |   Kommentare: 3   |   Autor: jiljune
Der Rausch, der keinen Stoff braucht
Handy, Dating, Sport, Computer. Die neuen Alltagssüchte.
Immer im Netz, täglich Sport, nur gesundes Essen: total normal, einerseits. Aber wo ist die Grenze? Wann werden wir abhängig von all den Möglichkeiten uns selbst zu optimieren? Unser modernes Leben bringt eine Reihe neuer Süchte hervor, die nichts mit Drogen zu tun haben - und wir fangen gerade erst an, sie zu verstehen.

Keiner, der 200 Mal am Tag auf sein Handy schaut, würde sich für süchtig halten. Und wer jeden Tag ein, zwei Stunden Sport macht, denkt wahrscheinlich, dass er sich einfach fit hält.
Verhaltenssüchte - das sind Süchte, die nicht an einen Stoff gebunden sind. Diese Süchte haben viel mit der Art zu tun, wie wir heute leben. Sie setzen an dem Punkt an, wo sich die größten kulturellen Veränderungen der letzten Jahre vollzogen haben: bei der Digitalisierung unseres Alltags und dem zunehmenden Zwang der körperlichen Selbstoptimierung.

Wer definiert was Sucht ist?

Das "Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders" (DSM) der American Psychiatric Association legt fest, was als psychische Erkrankung gilt. Die letzte Ausgabe erschien 1994, jetzt, im Mai, kommt die überarbeitete Fassung heraus. Der Suchtbegriff wird darin geöffnet, zum ersten Mal sind auch Verhaltenssüchte verzeichnet - als Erstes die Glücksspielsucht, dazu die Internetsucht als Diagnose, die noch keinen vollwertigen "Störungscharakter" hat, aber schon mal als Krankheit ins Auge gefasst wird. Auf zwei moderne Krankheiten wollen wir nun etwas eingehen.

Die Online-Sucht gibt es seit den Neunzigern, aber sie hat sich verschärft seit es die sogenannten `Smartphones` auf dem Markt gibt. Seither leben wir in einem Fluss unendlicher Daten. Das macht zunächst einmal Spaß: Wir sind mit allem und jedem jederzeit verbunden - Facebook ist ein zweites Zuhause. Das Smartphone dirigiert uns durch den Alltag mit seinen Apps, Alerts und Tweets. Es sendet pausenlos und wir passen unsere Aufmerksamkeit seinem Takt an, takten uns selbst neu durch, schneller, ungeduldiger.

Die zweite große Strömung, die seit ein paar Jahren stetig wächst:
Sie resultiert aus dem Druck, jung, attraktiv, leistungsfähig, fit und beliebt zu sein, um in allen Lebensbereichen mithalten zu können. Wir vermarkten uns selbst, wir wissen, dass nur wir selbst für unser Glück, unsere Kraft, für alles in unserem Leben verantwortlich sind, und dass nur unsere eigene Leistung uns vor dem Abstieg bewahren kann. Zwar wird einerseits propagiert, dass es wichtig ist, sich so zu mögen, wie man ist. "Aber der Leistungsgedanke ist tief in unserer Kultur verankert", sagt auch die Berliner Diplompsychologin und Psychotherapeutin Ada Borkenhagen, die an der Uni Leipzig zum Thema Schönheitsmedizin forscht.

Und nun für euch der ultimative Sucht-Check: Bist du gefährdet?

Um festzustellen, ob ein Verhalten in Richtung Sucht tendiert, sollte man (problemlos) mindestens eine Woche auf diese Sache verzichten können. Dabei beobachtet man die eigenen Reaktionen: Wenn mehrere folgender Symptome an dir auffallen, solltest du einen Arzt oder eine psychologische Beratungsstelle kontaktieren.

- Stimmungsschwankungen:
deutliche Gereiztheit oder depressive Verstimmung, Niedergeschlagenheit.
- Körperliche Unruhe:
eine Art innere, auch nach außen deutliche Unruhe, Gefühl von Rastlosigkeit.
- Motivationsprobleme:
Antriebs-, Lustlosigkeit, Keine Idee, wie man mit der frei gewordenen Zeit umgehen soll.
- Psychovegetative Symptome:
Appetitlosigkeit, Schlafprobleme.
- Kognitive Probleme:
Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen.

Wir hoffen bei Euch ist alles ok? Obwohl gegen eine schneckenhof.de Sucht hätten wir nichts
Was sind so eure Erfahrungen mit der "Smartphone/Internet"-Sucht und dem Drang immer schön zu sein??
 
3 Kommentare zu diesem Artikel
03.04.13, 21:55 Uhr #1 von Dite
Find den Artikel super, spricht mir aus der Seele, ein Thema, das mir im Moment verstärkt auf den Senkel geht. Dazu kommt diese ständige Angst, dass man ja immer überall erreichbar sein muss. Ich genieß es, wenn ich am Wochenende mal in den Norden fahre und absolut nichts von dem Rest der Welt mitbekomme - und auch jeder mal versteht, dass ich ausnahmsweise mal nicht erreichbar bin.

Oder die ganzen Leute, die auf der Party ständig mit ihren Handys rumstehen. Kann ja sein, dass man sein Handy wirklich mal brauchen sollte, um jemanden zu erreichen, der auch noch kommen will, etc. aber sind wir doch mal ehrlich: wieviele nutzen ihr Handy noch dafür? Mich nervt das, wenn man statt auf ne Party zu gehen und Spaß zu haben die Zeit mit seinem Handy verbringt. Die Leute würd ich am liebsten umklatschen

Und zur Sportsucht sag ich aufgrund bestimmter Freunde in meinem Freundeskreis mal lieber nichts
10.04.13, 12:17 Uhr #2 von Chapo
Guter Artikel!
Ich bin definitiv Schneckenhof süchtig

Wichtig finde ich, dass man in dem Fluss unendlicher Daten noch Zeit hat herauszufinden wer man selbst ist und was einem wirklich gut tut.
Entschleunigung findet man eigentlich nur durch beständige Verhältnisse, statt im ewigen Wettlauf nach Neuer, Schneller, Effizienter.
Manche Dinge wirken zuerst unbequem, bringen aber im Nachhinein viel mehr Zufriedenheit und innere Ruhe. Das muss man lernen.

Aber Evolution war noch nie einfach... die einen überleben, die anderen sterben aus
17.04.13, 13:15 Uhr #3 von gugki
Wie schon richtig im Artikel beschrieben ist, geht es ja nicht darum, wann/wo/wie oft man eine Sache macht, sondern ob ein Zwang dahinter steckt und im schlimmsten Fall dadurch das eigene Leben beeinträchtigt wird.

Internet/fb/whatsapp ist einfach super praktisch, gerade beim Thema Kommunikation und ich möchte im Alltag auf keinen Fall darauf verzichten. Aber klar ist hier die Grenze zwischen hilfreich und beeinträchtigend sehr fließend. Entspannt auf der Couch liegen und mit Freunden chatten, die nicht grad nebenan wohnen, ist einfach toll. Während eines Essens/Termins... ständig aufs Handy schauen müssen, weil ja jemand sich gemeldet haben könnte, ist recht störend und macht die Atmosphäre kaputt - klar, ab und zu, mach ich das auch.

Was ich zunehmend schwieriger finde, aus der Info-Kommunikationsflut Wichtiges und Dringendes zu filtern. Aber \"zur Not\" gibts ja auch noch den guten alten Anruf, so richtig old-school.
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